Unglaublich

Rückkehr nach 90 Jahren

11.12.2023 | Ein Buch des deutschen Metallarbeiterverbandes (DMV) – Verwaltungsstelle Göttingen – wurde nach 90 Jahren, nach der Besetzung der SA-Truppen, wieder seinen ursprünglichen Besitzer zurückgegeben. Doch seine Reise war spannend.

Im Gespräch mit Dr. Daniela Mathuber vom Leibnitz-Institut für Ost-und Südosteuropaforschung in Regensburg wurde klar, dass dieses Buch eine lange Geschichte und viele Reisen hinter sich hat, doch von vorn:

Ganz Lückenlos ließe sich der Verbleib des Buches in den letzten 90 Jahren nicht aufklären, erläuterte Frau Dr. Mathuber. Was passierte nach der Stürmung des Gewerkschaftshauses und der Beschlagnahmung der SA im Mai 1933 mit dem Buch? “Das Hauptarchiv der NSDAP wurde erst 1934 in Berlin gegründet und wurde dann 1935 nach München verlegt. Dort befand sich dann das Buch bis 1945. Nach dem Kriegsende wurde das Hauptarchiv der NSDAP von den amerikanischen Alliierten beschlagnahmt, da es sich offensichtlich um eine Einrichtung handelte, die der NS-Propaganda diente. Zumindest Teile dieses Archives seien dann in die USA gebracht und dort der Library of Congress anvertraut worden”, so Frau Dr. Mathuber. Die Rückgabe dieser Bücher sei dann  an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz bis 1983 erfolgt, die dieses Buch mutmaßlich vorher in Marburg aufbewahrte. Für Frau Dr. Mathuber ist das die plausibelste Nachbildung des möglichen Weges.

"Für uns ist es unglaublich, dass so ein Zeitzeugnis der Vergangenheit wieder bei uns auftaucht. Selbst wenn es heute viele nicht mehr glauben wollen, dieses Buch erinnert uns immer daran: Wehret den Anfängen!", so Dominik Langosch, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Süd-Niedersachsen-Harz.

“Wir werden gemeinsam überlegen, wie wir die Geschichte, die dieses Buch repräsentiert, gemeinsam in den Mittelpunkt stellen”, ergänzt Anderas Köppe, 2. Bevollmächtigter. "Schade, dass es nicht etwas eher zurückkam. In diesem Jahr hatten wir unsere Gedenkveranstaltungen zu 90 Jahre nach der Zerschlagung der Gewerkschaften am 02. Mai 1933. Da wäre dieses Buch und seine Geschichte ein besonderes Zeitzeugnis gewesen."


Zum Hintergrund

Das Buch wurde wahrscheinlich vom DMV (der Vorgängerorganisation der IG Metall) gekauft und war Bestandteil der Buchausstattung im “Volksheim”. Das “Volksheim” war, seit 1921, das Haus der freien Gewerkschaften in Göttingen, bis es am 2. Mai 1933 durch SA-Truppen besetzt wurde.

Die dort, 1927, eingerichtete Arbeiterbibliothek erhielt dieses Buch vom DMV. Das ist unschwer erkennbar an einem weiteren Stempel auf einer der Innenseiten zu erkennen.

Nach der Besetzung fungierte das Volksheim als „Haus der Deutschen Arbeit.“ Im November 1944 wurde es durch einen Bombenangriff zustört. Heute erinnert noch ein Gedenkstein an den ehemaligen Standort des Volksheims, im Maschmühlenweg. (Beim Gasometer)

Weitere Infos und Hintergründe zum Volksheim bekommt ihr in: 
Joachim Bons et al.: Bohnensuppe und Klassenkampf; Verlag Die Werkstatt; 1986   (Dieses Buch ist bei uns für Mitglieder ausleihbar.)

 

Von: ak

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